„Kriminalpolizei Mittelfranken, Morddezernat, Sie sprechen mit Birgit Peters. Was kann ich für Sie tun?“
 „Oh, Frau Kollegin, so förmlich. Mein Name ist Krause, Kripo Potsdam, ebenfalls Morddezernat“, meldete sich eine Männerstimme. „Ich möchte wegen des Falls Florian Gerber mit Ihnen sprechen.“
  „Das ist aber eine freudige Überraschung, Herr Kollege. Ist der Name bei Ihnen aktenkundig?“
  „Der Name nicht, aber wir haben einen ungeklärten Fall, bei dem es um einen Mann geht, der knapp drei Wochen vor Ihrem Florian Gerber verschwand und seither vermisst ist. Die letzten Fotos, die es von ihm gibt, sehen denen Gerbers sehr ähnlich – ich kann Ihnen das Fahndungsfoto zukommen lassen.“
  „Wer ist Ihr Vermisster?
„ Sein Name ist Maik Sattmann, geboren am 13.7.1972 in Halle. Er war eins einundneunzig groß, also nur einen Zentimeter kleiner als Florian Gerber. Auch er war Motorradfahrer, auch die Frisur und Haarfarbe stimmt fast überein.
 Sattmann gehörte einer rechtsradikalen Bande namens ‚Nationale Sammlung Nordsachsen‘, abgekürzt NSNS, an. Sein letztes Lebenszeichen stammte vom 30. August 1995. Da telefonierte er mit seiner Schwester Jennifer, die damals in Pirna bei Dresden lebte. Er wollte sie besuchen und sagte nach ihrer Aussage am Telefon, er habe vor, aus der Szene auszusteigen.
 Am 3. September meldete Jennifer Sattmann ihren Bruder als vermisst; seitdem gibt es kein Lebenszeichen von ihm. Nun das Besondere: Ende September 1995 tauchten kurz hintereinander zwei Bekennerschreiben auf: Sowohl seine ehemaligen Kameraden der NSNS als auch eine linksradikale Bande namens Autonome Antifaschistische Aktion Halle-Leipzig  bekannten sich zum Mord an Maik Sattmann. Eine Leiche gab es jedoch nicht. Die NSNS schickte ein Foto und gab an, der Tote liege in einem Wald im Erzgebirge nahe Auerbach. Die sächsischen Kollegen suchten alles ab und per Interpol wurde auch die tschechische Polizei eingeschaltet, doch auf keiner Seite der Grenze fand man die Leiche. Im Schreiben der AAA war der Tatort nicht angegeben; zwei Jahre später wurde in Magdeburg ein Mitglied verhaftet und gab Quedlinburg als Tatort an, was aber nie verifiziert werden konnte.“
  Von den verhafteten Mitgliedern der NSNS gab nur einer an, von Sattmanns Vorhaben, auszusteigen, gewusst zu haben. Die AAA Halle-Leipzig hatte damals in einem Flugblatt behauptet, Sattmann sei einer der Anführer der NSNS. Sie haben damals regelrechte Steckbriefe gegen Naziführer geschrieben.“
 
  „Wissen Sie Näheres über beide Banden?“
  „Es gibt einiges. Die NSNS hat mehrere Brandanschläge gegen Asylantenheime und Läden von Ausländern verübt und Ausländer oder ausländisch aussehende Personen auf offener Straße angegriffen und Leute, die sich gegen Nazis engagiert haben, terrorisiert. Sattmann, beziehungsweise ein Mann, dessen Beschreibung auf ihn passt, war an einem Brandanschlag auf eine der ersten Dönerbuden hier in Potsdam beteiligt, bei der die Frau des Besitzers starb; deshalb ist sein Name überhaupt in unserer Kartei. Die meisten Aktionen geschahen im Nordwesten von Sachsen und in Sachsen-Anhalt, doch auch hier in Brandenburg und auch in Berlin gibt es einige Fälle. Ob in Bayern auch, konnte bisher nicht festgestellt werden. Heute dürfte es die NSNS nicht mehr geben. Die meisten der von uns verhafteten Personen sind inzwischen wieder frei, ausgestiegen und führen ein normales, bürgerliches Leben.
  Die AAA gründete sich wohl im Raum Potsdam und hatte bewaffnete Gegenwehr gegen Nazibanden als Ziel. Wie viele Linksextremisten waren sie in ihren Flugblättern allerdings radikaler als dann in der Tat: Vom angeblichen Mord an Maik Sattmann abgesehen wissen wir nur von Prügeleien und Steinwürfen und drei oder vier Brandanschlägen auf Wohnungen bekannter Rechtsextremisten oder Cafés, die als Treffpunkte der rechten Szene galten. Auch die AAA hat sich wohl aufgelöst und auch ihre Mitglieder, soweit amtsbekannt, sind heute brave Bürger.“
  „Von Verbindungen Maik Sattmanns nach Bayern wissen Sie also nichts?“
 „Nein. Was wir wissen, ist, dass seine Eltern in einem Dorf bei Leipzig lebten, aber weder mit ihm noch mit seiner Schwester viel Kontakt hatten. Von seiner Schwester habe ich schon erzählt. Außerdem stammt seine Mutter aus Rumänien und wir versuchten auch, dort etwas ausfindig zu machen, doch das war damals aussichtslos: Die Polizei dort war korrupt und miserabel ausgerüstet.“
 „Also könnte es höchstens sein, dass er, falls er nach Rumänien wollte, einen Umweg nahm, auf dem ihn, wie er hoffte, niemand suchen würde.“
  „Das wäre möglich.“
  „Nun gut, Herr Krause, ich danke für die Informationen. Schicken Sie mir bitte die Akten und die Bilder und Daten Sattmanns und der konkret Mordverdächtigen.“
  „Selbstverständlich, Frau Kollegin. Auf Wiederhören!“
  Die Akte kam bereits am selben Tag per E-Mail. Sattmann war von einem seiner Kameraden des Mordes an einem Pfarrer in Halle, der Kirchenasyl gewährt hatte, beschuldigt worden; da dieser allerdings erst nach Sattmanns Verschwinden verhaftet worden war und ausgesagt hatte, war der Fall zu den Akten gelegt worden.
. Dazu kamen einige weniger schlimme Verbrechen, die meisten mit rechtsradikalem Hintergrund. Nach Aussagen von Bekannten hatte Sattmann sich ab Ende 1993 offen zum Nationalsozialismus bekannt und war im Frühjahr 1994 Mitglied der NSNS geworden.
  „Ziemlich dicke Hunde für anderthalb Jahre“, kommentierte Hauptkommissar Kröber, nachdem er die Akte gelesen hatte. „Der hätte das Zeug zum SS-Führer oder KZ-Kommandant gehabt.“
  „Da gibt’s natürlich reichlich Mordmotive für Gegner – und auch für die eigenen Leute, wenn es stimmt, dass er aussteigen wollte“, ergänzte Kommissar Klein.  „Sieht aus, wie wenn Florian Gerber nur daran glauben musste, weil er ihm ähnlich gesehen hat.“
  Kommissarin Peters las schweigend die Akte nochmals durch. „Wissen Sie, was mir aufgefallen ist – ich weiß nicht, ob es mit unserem Fall zu tun hat: Hier ist Jennifer Sattmanns Aussage über ihren Bruder. Sie sagt, sie und ihr Bruder seien 1989 im Widerstand gewesen und ihre Gruppe habe sich im Gemeindehaus der Auferstehungsgemeinde in Halle getroffen. Deren leitender Pfarrer war Rudolf Weber, derselbe Rudolf Weber, den Sattmann fünfeinhalb Jahre später ermordete.
  Und hier die Aussage des 1996 verhafteten Frederik Weiß: ‚Maik wollte Weber unbedingt umlegen. Er hat damit gedroht, auszusteigen, wenn wir ihn nicht lassen.‘ – Das spricht dafür, dass Sattmann ein persönliches Problem mit Pfarrer Weber hatte, das nichts mit dem Kirchenasyl zu tun hatte.“
  „Haben die Kollegen das untersucht?“, fragte Kröber kurz.
  „Hier steht nichts davon, aber Potsdam ist ja auch nicht das zuständige Präsidium. Wir müssen in Sachsen-Anhalt anfragen.“
  „Dann streich ‚wir müssen‘ und ersetz es durch ‚ich tu’s!“
  „Jawohl Chef!“ Sie stand auf, salutierte wie ein Offizier und griff zum Telefonhörer. Sie wurde einige Male weiterverbunden, hatte aber schließlich Erfolg und konnte ihr Anliegen schildern. Offenbar sagte dem Polizisten am anderen Ende der Leitung allerdings der Name Rudolf Weber nichts.
  „Sag denen, sie sollen schauen, ob es diese Jennifer Sattmann noch gibt. Vielleicht weiß sie mehr über ihren Bruder als sie damals gesagt hat!“, kommandierte Kröber, der inzwischen ebenfalls die Akte nochmals durchgeblättert hatte. „Sie wurde 1995 vernommen. Die Aussage von Sattmanns Nazikumpan datiert vom Frühjahr 1996.“
  „Also: Die Akten kommen bis spätestens heute  Abend per Mail“, versprach Birgit Peters, nachdem sie aufgelegt hatte. „Mal sehen, ob dort mehr steht.“ Sie griff nochmals zum Telefon: „Ich erkundige mich auch gleich mal in Sachsen. Halle und Leipzig liegen ja nahe genug beieinander, da dürfte dort wohl auch einiges bekannt sein.“ Auch dort wurde sie mehrmals weiterverbunden, doch auch die Polizeidirektion Leipzig sagte Amtshilfe zu und versprach, bis zum Abend ihre Informationen zu schicken.
 
  Die Kriminaler/-innen der Polizeidirektion Süd des Landes Sachsen-Anhalt hielten ihr Versprechen und kurz vor Dienstschluss druckte Kommissar Klein eine noch größere Menge an Informationen aus als am Vormittag aus Brandenburg gekommen war. Er verglich die beiden Akten und warf zunächst alles, was in beiden gemeinsam vorkam, einmal in den Reißwolf. Tatsächlich hatte die sachsen-anhaltinische Polizei deutlich mehr Material über Maik Sattmann und die NSNS als ihre brandenburgischen Kollegen, zumal Sattmanns Heimatdorf Wallendorf zwar nahe an Leipzig lag, aber zu Sachsen-Anhalt gehörte.
  Maik Sattmann war bereits als Tatverdächtiger an einigen kleineren Kriminalfällen wie Prügeleien oder Verkauf verbotener Schriften im Jahr 1993 im Raum Halle-Merseburg aufgeführt, die allerdings zum Großteil nie geklärt worden und längst verjährt waren. Damals waren auch Sattmanns Eltern vernommen worden. Der Vater, ein Ingenieur, der zwar nach der Wende kurz arbeitslos gewesen war, aber sich schnell in den Arbeitsmarkt des vereinigten Deutschlands hatte integrieren können, sagte aus, er könne die Entwicklung seines Sohnes selbst nicht verstehen. Maik Sattmanns Mutter Margot stammte aus Rumänien. Sie und ihr Mann hatten sich kennengelernt, während er in den 60er Jahren wegen eines Projekts auf RGW-Ebene in Rumänien zu tun gehabt hatte. 1969, im Rahmen der Niederschlagung des Prager Frühlings, die die rumänische Führung unter Ceauşescu heftig kritisiert hatte, war Werner Sattmann in die DDR zurückbeordert  worden. Zu diesem Zeitpunkt war seine spätere Frau bereits schwanger. Die beiden heirateten und es gelang ihnen, dass Margot Sattmann in die DDR einreisen durfte, wo kurz darauf ihre Tochter Jennifer zur Welt kam.
  Die Familie habe immer Kontakt zu den Verwandten in Rumänien gehabt und sie öfters besucht. Auch Jennifer und ihr knapp drei Jahre jüngerer Bruder Maik hätten dort viele Freundschaften gehabt, auch mit ethnischen Rumänen, Ungarn und sesshaften Roma. Auch hätten beide Kinder mehrere Brieffreundschaften im gesamten Warschauer Pakt gehabt und, soweit das möglich war, ihre Brieffreunde auch besucht. Wie der Sohn sich zum Ausländerhasser habe entwickeln können, sei für Vater und Mutter unerklärlich.
  Jennifer Sattmann hatte im gleichen Jahr angegeben, sie habe den Kontakt mit Eltern und Bruder bereits 1992 abgebrochen. Über Gründe wollten sich damals weder sie noch ihre Eltern äußern.
  Laut den vorliegenden Aussagen hatten die Eltern erst nach Maiks Verschwinden von seinem Vorhaben, auszusteigen, erfahren. Die Aussage seiner Schwester, er habe sie angerufen und ihr erklärt, er wolle aussteigen und sie besuchen, lag auch in Halle vor, daneben eine weitere Aussage Jennifer Sattmanns, sie habe über einen gemeinsamen Freund, der zu Maik noch Kontakt hatte, als dieser nach 1994 untergetaucht war, ihrem Bruder ausrichten lassen, was sie von seinen Aktivitäten hielte.
  Leider war die Suche nach diesem Mann, einem gewissen Joachim Held, im Jahr 1996 erfolglos verlaufen, da Jennifer Sattmann seine aktuelle Adresse und Telefonnummer nicht mehr besessen hatte.
 
  Die Informationen aus Leipzig kamen erst in der Nacht. Kommissarin Peters, die Frühdienst hatte, las sie am nächsten Morgen durch und verglich mit den Akten aus Halle und Potsdam.
  Um elf Uhr setzte Oberkommissar Kröber eine Besprechung an und ließ sich zunächst die Zusammenfassungen vortragen. Er folgte den Ausführungen seiner Mitarbeiter, ohne eine Regung zu zeigen. Als sie geendet hatten, fragte er: „Ist euch was aufgefallen? Habt ihr einen Verdacht?“
  „Na ja, Jennifer Sattmann hat nach dem Abi als Krankenschwester gearbeitet. Erst später, ab 1991, hat sie studiert“, stellte Michael Klein fest.  „War das in der DDR üblich?“
  „1991 gab es keine DDR mehr – und dass, als es sie noch gab, Leute nicht studieren durften, die als politisch unzuverlässig galten, war üblich“, wusste Birgit Peters. „Und Maik Sattmann wurde 1988 nicht zur EOS zugelassen, obwohl er laut seinen Eltern ein guter Schüler war. – Das stinkt nach Stasi und könnte auch erklären, warum Sattmann Pfarrer Weber unbedingt selbst ermorden wollte: Dieser Weber war ein IM oder zumindest hatte Sattmann ihn im Verdacht.“
  „Gut, dass wir dich haben, Gscheiderla!“, kommentierte Hans Kröber sarkastisch. „Im Ernst: Das hab ich mir auch gedacht. – Bloß nützt uns das nichts. Dass Sattmann Weber umgebracht hat, scheint erstens festzustehen, zweitens ist Sattmann selber tot oder verschwunden und drittens, selbst wenn er wieder auftauchen würde, wär es Sache der Kollegen in Halle – und vom Richter, ob er mildernde Umstände gelten lässt. Für uns ist ganz was anderes wichtig: Wie ist dieser Sattmann nach Franken gekommen, woher haben seine Kumpane es gewusst – gesetzt den Fall, und das scheint das Wahrscheinlichste, Florian Gerber ist von ihnen umgebracht worden, weil sie ihn für Sattmann gehalten haben – und auch, was mit dem echten Sattmann passiert ist – oder wissen die Kollegen in Halle oder Leipzig da mehr drüber wie die in Potsdam?“
„Mehr darüber als“, verbesserte Kommissarin Peters. „Nee, sieht nicht so aus. In Leipzig heißt es auch nur, zwei Bekennerschreiben, keine Leiche.“
 „In Halle dito“, ergänzte Kommissar Klein.
 „Also könnte es sein, dass der richtige Maik Sattmann noch lebt, vielleicht in Rumänien, vielleicht anderswo.“
 „Da haben sie ja schon gesucht.“
 „Klar haben sie das, Michl. Aber, falls du’s noch nicht gehört hast: Inzwischen sind 16 Jahr vorbei, Rumänien ist in der EU, die Polizei dort ist weit besser ausgerüstet als damals und vielleicht haben sie wirklich was gegen die Korruption getan. Also versuchen sollten wir’s.
  Schwierig wird es freilich trotzdem: Für das nötige Kleingeld könnte er auch dort einen falschen Ausweis gekriegt haben – ein bisschen Rumänisch hat er vermutlich gekonnt.“
  „Aber kaum so viel, dass er unter Rumänen als Rumäne durchgehen konnte“, widersprach Birgit Peters.  „Seine Mutter war ja offenbar Siebenbürger Sächsin und keine ethnische Rumänin.“
  „Madame, ich glaub was ganz anderes: Damals gab es zwar wenige, aber doch noch, Deutschrumänen dort unten. An seiner Stelle hätt ich mir, vorausgesetzt, ich hätte das Geld gehabt, einen Pass mit deutschem oder jüdischem Namen zugelegt, hätte ein halbes Jahr oder so ausgehalten und wäre dann nach Deutschland zurück. Als Aussiedler hätte er Aufenthaltsrecht gekriegt und wenn er nicht gerade in seine alte Heimat zurückgegangen ist, kann er herrlich und in Freuden hier leben.“
  Sie schüttelte den Kopf: „Ich bin zwar nicht gut im Dialekteraten, aber einen Siebenbürger Sachsen von einem echten Sachsen unterscheiden, kann ich sehr wohl. Jemand, der damals als Erwachsener frisch aus Rumänien kam, fiel fast immer auf – und wenn jemand akzentfreies Hochdeutsch oder gar sächsischen Dialekt sprach, musste jeder Mensch mit halbwegs Grips im Kopf Verdacht schöpfen.“
  Kröber verzog das Gesicht, was bedeutete, dass er ihren Einwand zumindest ernst nahm. Dennoch brummte er schließlich: „Du brauchst nicht glauben, dass alle Leute in Meldeämtern so was wie Hirn im Kopf haben.“
  „Außerdem“, warf Michael Klein ein. „Wenn seine Mutter aus Siebenbürgen kommt, weiß oder wusste er, wie die dort reden; ich könnt mir schon vorstellen, dass er den Dialekt, angenommen, du hast Recht, Chef, so nachmachen kann, dass jemand, der sich dort nicht genau auskennt, nicht merkt, dass er nicht von dort ist.“
 
 „Also, was nun?“, drängte Kommissarin Peters zur Eile.
 „Ich setz die Bitte um Amtshilfe auf, bring sie zum Übersetzer und mail‘ sie an die rumänischen Kollegen. Ihr könnt euch inzwischen Gedanken machen, wie ihr an die möglichen Zeugen rankommt, also Eltern, Schwester, ehemalige Nazikumpane, vor allem diesen Frederik Weiß, diese Leute von der AAA, vielleicht auch jemand von der Kirchengemeinde in Halle. Wir müssen alles versuchen, damit wir rauskriegen, ob Sattmann noch leben könnte und wenn ja wo – und auch, was an den Bekennerschreiben dran ist. Kann natürlich sein, dass in Auerbach oder Quedlinburg der echte Sattmann abgemurkst worden ist.“
 „Aber warum haben sie dann die Leiche nicht gezeigt, wenn sie schon ein Bekennerschreiben verfasst haben?“, warf Michael Klein ein.
 „Das frägst sie, wenn wir sie haben. – Also, ihr wisst, was ihr zu tun habt?!“
 
 Die ersten Nachforschungen brachten wenige Ergebnisse. Die rumänische Staatspolizei versprach zwar sofort, sich um die Sache zu kümmern, fand jedoch zunächst nichts heraus. Werner Sattmann war 2009 verstorben, der Aufenthaltsort von Witwe und Tochter konnte nicht ausfindig gemacht werden und sowohl den Namen Margot als auch Jennifer Sattmann gab es zu oft, um alle zu befragen. Auch die Ärztelisten durchsuchten die Beamten vergeblich nach einer Jennifer Sattmann. 
 Ähnlich verhielt es sich mit Frederik Weiß: Dieser war gelernter Elektriker, nach Polizeiinformationen hatte er sich nach Verbüßung seiner Strafe 2001 in Magdeburg niedergelassen, doch allein dort gab es den Namen mehrfach.
 Die Witwe von Pfarrer Rudolf Weber konnte sich an eine Jennifer erinnern, die sehr aktiv gewesen sei; sie bestätigte auch, dass mindestens ein IM der Stasi in ihrer Gemeinde tätig gewesen sei; um wen es sich dabei gehandelt habe, sei nie herausgekommen.
  Die einzige verwertbare Information in den nächsten Tagen kam von Rudolf Webers Sohn Jonas, inzwischen ebenfalls Pfarrer. Der rief eine Woche später bei der Polizei in Magdeburg an, er verspreche sich am ehesten Informationen von Jennifer Sattmanns damaligem Freund Manuel Paulus, der 1990 oder 1991 das Medizindiplom bestanden, dann zunächst als Kardiologe in einer Poliklinik gearbeitet und später promoviert habe und anschließend nach Bayern gegangen sei. Er sei nicht nur Jennifers Freund gewesen, sondern Maik habe ihn sehr bewundert und sei wohl  sogar mehr durch ihn als durch seine Schwester in die Gemeinde gekommen.
 
 Einen Dr. Manuel Paulus gab es tatsächlich und zwar als Oberarzt für Kardiologie am Kreiskrankenhaus Tirschenreuth. Bei einer Anfrage dort stellte sich heraus, dass er am 15.11.1968 in Merseburg geboren war, was wahrscheinlich erscheinen ließ, dass er tatsächlich Ende der 80er Jahre Student und Freund Jennifer Sattmanns gewesen sein könnte.
 „Ich frage mich nur, warum dieser Dr. Paulus, gut, damals vielleicht noch kein Doktor, nicht befragt wurde“, überlegte Birgit Peters laut.
 „Das ist eine berechtigte Frage – aber wir können das nachholen. Tirschenreuth liegt zwar nicht in unserem Bezirk, aber ich schätze, wenn wir dem Kollegen Tuschl in Regensburg Bescheid sagen, wird er nichts dagegen haben, oder? Was meint die Kollegin zu ihrem ehemaligen Chef?“
 „Dass mein jetziger Chef das wohl richtig einschätzen dürfte.“

 „Gut. Such dir aus, ob du Paulus anrufst oder Tuschl.“

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