Es wunderte Andreas nicht, dass sein Tisch mit Klebstoff eingeschmiert war, als er zu den letzten beiden Stunden ins Klassenzimmer kam. Immerhin merkte er es rechtzeitig, ehe er seine Sachen auspackte oder seinen Arm darauf legte. Mit seinem Taschenmesser kratzte er den Klebstoff ab, während Jan ihm den Rucksack wegnahm.

„Stell den Rucksack hierher oder es wird dir leidtun!“, zischte Andreas.

„Mal schauen, wem hier was leidtun wird!“, antwortete Jan grinsend, trug den Rucksack zum Fenster und wurde nur durch das Eintreffen der Spanischlehrerin daran gehindert, ihn hinauszuwerfen. Da ihm auf die Schnelle kein Grund einfiel, wozu er zwei Rucksäcke brauchte, brachte er ihn sogar zurück.

 

Nach der letzten Stunde standen einige Klassenkameraden auf der Treppe zum Fahrradkeller. Andreas überlegte noch, ob sie ihn durchlassen würden oder wie er reagieren sollte, wenn nicht, als Alexandra neben ihn trat: „Nicht schlecht!“, lobte sie.

„Was meinst du?“

„Ich glaube, das weißt du sehr gut. – Du hast doch gesagt, du machst Taekwondo, oder?“

„Ja, warum?“

„Gegen Taekwondo hab ich zum letzten Mal vor fast zwei Jahren ernsthaft gekämpft. Wie wär’s morgen nach der Schule – oder traust du dich nicht?“

Der letzte Halbsatz war so laut gesprochen, dass alle es hörten.

„Wie du meinst. Aber bild dir nicht ein, ich lass dich gewinnen, weil du ein Mädchen bist“, antwortete Andreas.

„Dann könntest du was erleben. – Also, morgen nach der sechsten, im Lehnerpark. Wer gewinnt, hat bis Weihnachten Vortritt im Fahrradkeller, in der Mensa und im Fitnessraum.“

„Das sind drei verschiedene Sachen.“

„Kein Problem. Dann kämpfen wir halt dreimal.“

Einige andere grinsten. Andreas sah Alexandras Selbstsicherheit, doch er wollte sich keine Blöße geben. „Gut. Aber ich kenne keine Gnade!“

„Das will ich hoffen!“

 

Andreas war sich nicht sicher, ob es richtig gewesen war, die Herausforderung anzunehmen. Alexandra schien die Klasse im Griff zu haben; nur so konnte er sich erklären, dass ihn alle gemobbt hatten. Würde sie fair kämpfen oder ihn in eine Falle locken? Oder hielt sie sich für derart überlegen, dass sie glaubte, kein Risiko einzugehen?

 

 

Alexandra gewann vor ihrem inneren Auge allmählich ein genaueres Bild des neuen Mitschülers. Andreas ließ sich nicht leicht einschüchtern und schien auch nicht dumm zu sein; nicht nur hatte sie seine Beiträge im Geschichtsunterricht mitbekommen, auch sein Verhalten im Fahrradkeller sprach dafür: Er hatte nicht den Kampf gesucht, sondern war so ausgewichen, dass Alexandra als Angreiferin erkennbar gewesen wäre, hätte sie zugeschlagen. Es nötigte ihr auch einen gewissen Respekt ab, dass er sich durch das Mobbing, das sie organisiert hatte, nicht hatte beeindrucken lassen. Allerdings hatte er eine verwundbare Stelle: Er wollte nicht gern vor der Klasse als Feigling oder Schwächling dastehen.

Von den anderen Jungen war er nach der Sportstunde als stark, aber nicht besonders schnell beschrieben worden; das hieß, er würde ihr wohl kaum in einem Kampf gefährlich werden. Sie schätzte ihn so ein, dass er seine Niederlage akzeptieren würde; wie es nach Weihnachten aussehen würde, müsste sie dann sehen.

 

 

Am Dienstag ließ man Andreas deutlich mehr in Ruhe als am Montag. Ein Großteil der Klasse folgte nach der sechsten Stunde Alexandra und ihm in den Lehnerpark, der vom Heisenberggymnasium nur wenige Minuten zu Fuß entfernt war. Sie trug heute Sneakers statt der üblichen Stiefel und legte ihre Lederjacke ab, ehe sie Andreas gegenübertrat. Die anderen bildeten einen Kreis um sie.

„Okay, innerhalb des Kreises. Wer zehn Sekunden nicht hochkommt, hat verloren. Du weißt, wo du nicht hinschlagen darfst, ich auch.“

„Okay.“

„Also los!“

Andreas schlug zu, doch nicht mit voller Kraft. Seine Faust tat weh, während Alexandra unbewegt stehenblieb. Sofort kam ihr Angriff: Sie traf mit der Faust seine Schläfe, sodass er umfiel wie ein nasser Sack und liegenblieb. Als er sich aufrappelte, jubelnden die Zuschauer.

In der zweiten Runde attackierte sie mit dem Bein. Er konnte gerade noch ausweichen und kickte seinerseits, doch zu langsam: Sie bekam sein Bein zu fassen, schleuderte ihn zu Boden und nahm ihn in den Schwitzkasten.

Bei der dritten Runde täuschte sie einmal kurz an, packte ihn anschließend an den Hüften und brachte ihn mit einem sauberen Wurf erneut zu Fall. Aus ihrer Beinschere fand er kein Entkommen.

„Gut, dreimal!“, stellte sie fest. „Aber das erste Mal hast du nicht richtig gekämpft. Also machen wir noch eine Runde: Wer verliert, lädt den anderen am Sonntag ins Café ein.“ Plötzlich war Ruhe bei den Zuschauern, auch, als der Kampf losgegangen war. Alexandra attackierte diesmal abwechselnd mit Fäusten, Tritten und Handkantenschlägen, immer schneller, bis Andreas seinen Körper ungedeckt ließ. Dies nutzte sie für einen Tritt mit voller Wucht in seinen Solarplexus. Er stürzte erneut zu Boden und im nächsten Moment hatte sie seine Beine fixiert und ihn im Würgegriff. Er gab auf, worauf sie ihn entließ. Sie reichten einander die Hände und Andreas gratulierte.

 

Alexandra und einige andere gingen zurück, um in der Mensa zu essen, während Andreas nach Hause fuhr. Er hatte einen fairen Kampf verloren und dafür die Bedingungen der Siegerin anzuerkennen; das wäre am ‚Canisius‘ nicht anders gewesen. Dass die anderen Alexandra unterstützt hatten, war zu erwarten gewesen.  Er war gespannt, wie sie ihn nun in der Klasse behandeln würden.

 Überrascht stellte er am Mittwoch fest, dass die Feindseligkeit der beiden Vortage verschwunden war. Im Gegenteil, man bezog ihn sogar in alle Gespräche ein und bei der Einteilung der Projektgruppen in Deutsch musste er sich niemandem aufdrängen, sondern wurde selbst von Sonja, Kevin und Simon gefragt, ob er bei ihnen mitmachen wollte.

Dass die Klasse sich zweimal so geändert hatte, konnte nur an Alexandra liegen. Sie hatte die anderen im Griff, auf eine Weise, wie er es von seiner alten Schule nicht kannte: Die Schülerschaft am Canisius-Gymnasium ähnelte von weitem einer süditalienischen oder lateinamerikanischen Gesellschaft, in der Mafiabanden miteinander um die Macht rangen und Paten sich gegenseitig und gemeinsam die anderen terrorisierten, mit den Lehrern als Polizei, einer schwachen und korrumpier-baren Polizei zwar, aber einer, mit der man immerhin zu rechnen hatte. Hier am Heisenberg-Gymnasium, zumindest in der 8 C, herrschte eine gut funktionierende Diktatur, deren offizielle Herrscher sich entweder längst mit der Rolle von Schattenkönigen abgefunden hatten oder es gar nicht merkten.

Alexandra erpresste kein Geld, brüllte andere nicht an und drohte auch nicht. Sie kamen freiwillig zu ihr und zahlten, damit sie für andere Hausaufgaben machte oder sie beschützte. Wenn die Machthaberin etwas von anderen wollte, sprach sie diese ruhig, aber bestimmt an, klare Befehle, die postwendend befolgt wurden. Andreas schloss nicht aus, dass sie Widerspenstige schlug, wenn er es auch nie sah. Was ihre unumschränkt Macht begründete, war aber wohl nicht nur ihre Kraft und überlegene Kampftechnik, sondern auch ihr Auftreten: Ob sie sich im Unterricht meldete, ob sie in der Zwischenstunde oder den Pausen andere ansprach, ja sogar, ob sie sich umdrehte, alles schien genau überlegt, jede Bewegung, jede Äußerung zeigte, dass sie sich ihrer Autorität bewusst war.

 Und die anderen? Niemand rebellierte offen; Andreas hörte auch dann niemanden schimpfen, wenn Alexandra nichts mitbekam.  Was sie sagte, wurde widerspruchslos ausgeführt. Wie er selbst erlebt hatte, brauchte sie es nicht einmal allen zu sagen, wenn sie ein bestimmtes Verhalten aller wollte.

 

Interessant war, was Alexandra sagte, wenn sie sich am Unterricht beteiligte, was sie vor allem in Deutsch und Geschichte tat. Sie war der Meinung, prinzipiell sei jeder Mensch manipulierbar und konnte dies aufgrund ihres großen Wissens an zahlreichen Beispielen begründen.

Das Scheitern der Revolution von 1848 führte sie darauf zurück, dass diese von Intellektuellen geführt worden war, die eben das nicht verstanden. hatten. „Schauen wir uns nicht heute noch gern Königsschlösser und alte Kirchen an?“, hatte sie gefragt. „Oder kaufen wir heute nicht nach wie vor eher bei dem Geschäft was, das uns von außen besser gefällt oder das die schöneren Werbefilme macht, egal, ob die Ware besser ist?“

Die Herren Hofmann und Güttler gaben ihr grundsätzlich Recht, wenn auch letzterer zu bedenken gab, die Revolutionäre von 1848 seien selbst zu sehr in autoritären Strukturen verhaftet gewesen: „Man hätte damals die Fürsten verpflichten müssen, ihre Truppen auf den Reichsverweser zu vereidigen.“

„Warum hätten sie das tun sollen?“, fragte Alexandra zurück. „Die Revolutionäre hätten den Soldaten mehr bieten müssen als die Fürsten, dann hätte es geklappt.“

„Sie haben ja wohl nicht wissen können, dass die Soldaten gegen ihr eigenes Volk kämpfen würden“, warf Andreas ein. „Das waren keine Söldnerheere mehr.“

„Jeder kämpft für das, was ihm am meisten nützt. Alles andere ist Propaganda“, blieb Alexandra bei ihrer Meinung. „Die Fürsten damals haben halt ihre Heere entsprechend versorgt, dass die zufrieden waren.“

„Meinetwegen“, antwortete Güttler mit einem Blick auf die Uhr. „Fest steht jedenfalls, dass die Revolution von 1848 gescheitert ist und, wie wir die letzten Stunden gesehen haben, die Gründe unter anderem darin lagen, dass das einfache Volk sich zu wenig dafür interessiert hat und außerdem die Nationalversammlung es versäumt hat, die Truppen auf sich zu vereidigen.“ Er erstellte rasch ein Tafelbild, das die Klasse wortlos abschrieb.

 

Andreas‘ Eltern hatten nichts dagegen, dass er sich am Samstag mit Kevin und am Sonntag mit Alexandra treffen wollte, auch wenn das letztere ihre Aufmerksamkeit erregte.

„Du kannst sie gern einmal mitbringen“, fand sein Vater, „wir würden natürlich gern wissen, wer die Freundin unseres Sohnes ist.“

„Papa, da ist nichts.“

„Wirklich nicht?“

„Nein.“ Die Antwort war ehrlich. Bisher hatten Mädchen für Andreas keine besondere Rolle gespielt und Alexandra war zwar anders als seine früheren Mitschülerinnen, doch konnte er sich nicht vorstellen, sie zu küssen oder gar mehr. Ganz abgesehen davon war er sich sicher, dass Alexandra wenn, dann einen älteren Freund hatte.

 

Das Treffen mit Kevin am Samstag lohnte sich. Kevin kannte einige Programme, die für Andreas neu waren und umgekehrt.  Auch sonst lagen die beiden Jungen einigermaßen auf einer Wellenlänge. Ihm erzählte Andreas als erstem aus der neuen Klasse auch von seinem Rausschmiss vom Canisius-Gymnasium, wie Oliver ihn in die Falle gelockt und Peter ihn verraten hatte.

„Hast du dich nicht gewehrt? Ich wär zum Schulamt oder so.“

„Ich hab gewusst, dass der Chef mich auf dem Kieker hatte. Vielleicht geh ich noch dorthin, aber es war besser, vom Canisius wegzugehen.“

Andreas hatte auch das Gefühl, Kevin könnte ihm am ehesten etwas über Alexandra erzählen und fragte ihn, was er über sie wusste und dachte.

„Das wichtigste hast du ja schon mitgekriegt“, antwortete Kevin. Er bestätigte, dass Alexandra die unumschränkte Herrscherin war. „Aber besser so als irgendwelche Schläger. Sie lässt dich meistens in Ruhe, wenn du akzeptierst, dass sie bestimmen darf.“

Ob Alexandra einen Freund hatte, wusste Kevin auch nicht: „Ich hab sie mal mit einem Typen gesehen, der wohl schon siebzehn oder achtzehn war, aber keine Ahnung, ob das ernst war. Ich weiß auch nicht, wer so was wissen könnte. Die Alexa redet wenig von sich. Du bist übrigens auch der erste in der Klasse, mit dem sie gemeinsam weggeht, zumindest der erste Junge.“

„Echt?“

„Klar echt. Frag mich nicht, wieso. Dass sie in dich verliebt ist, glaub ich weniger.“

 

Alexandra erwartete Andreas am nächsten Tag vor dem Café Mohr in der Innenstadt, nur wenige Minuten von der Peterskirche entfernt.  Es war wohl kein Zufall, dass sie das nobelste Café der Stadt ausgesucht hatte. Auch sie selbst war fein angezogen: Sie trug ein dunkelblaues Sakko über einer weißen Bluse und ein rotes, halb durchsichtiges Tuch um den Hals. Sie war stärker geschminkt als in der Schule, doch wirkte sie von weitem immer noch, als habe sie von Natur aus rote Backen, große Augen und lange Wimpern. Während sie bereits in der Schule, auch wenn sie gekleidet war wie andere Mädchen, für sechzehn gehalten werden konnte und auch so auftrat, hätte ein Beobachter hier im Café sie gut und gern für zwanzig oder älter gehalten. Andreas kam sich in dieser Umgebung neben ihr deplatziert vor.

Sie gaben sich die Hände in gebührendem Abstand, wie Politiker oder Geschäftspartner.

„Gut siehst du aus!“, sagte Andreas,  nur, um etwas zu sagen.

„Danke! – Man hat dir wahrscheinlich schon erzählt, dass das heute eine Premiere ist.“

„Du meinst, weil du dich seit längerem mit keinem Jungen aus der Klasse mehr getroffen hast? – War auch für mich ziemlich überraschend, dieses Date! Was hättest du gemacht, wenn ich nicht gekommen wär? Mich nochmal verprügelt?“

Alexandra grinste. „Dann hätte ich mir etwas anderes einfallen lassen müssen. Aber ich habe dich richtig eingeschätzt: Du bist ein Ehrenmann, der zu seinen Versprechungen steht und sich ungern Feigheit nachsagen lässt. Deshalb war mir auch klar, dass du die Herausforderung annehmen würdest. Dass ich gewinnen würde, wusste ich, weil ich dich beobachtet und beobachten lassen habe: Du bist zwar stark, aber langsam. Außerdem beherrschst du nur eine Kampfsportart.

So war es für mich am leichtesten, dir zu zeigen, wer hier Chefin ist. – Aber der Grund, warum ich dich näher kennenlernen will, ist ein anderer.“

„Und zwar?“

„Überleg scharf, was dich von anderen unterscheidet. Und denk dran: Es ist normal, gut in Mathe und Physik, aber nur mittelmäßig in Sprachen zu sein, sich für Computer zu interessieren, Kampfsport zu machen und auch ein paar Muskeln zu haben.“

Er überlegte: „War die Mobbingaktion auch nur ein Spiel?“

Sie nickte. „Gut geraten! Du kannst dir denken, warum ich zu dir gesagt habe ‚nicht schlecht`?“

„Du hast geglaubt, ich würde sofort weich werden? Womöglich heulen anfangen?“

„Zum Beispiel. Oder dich mit irgendjemandem prügeln. Oder sonst wie ausrasten. So haben jedenfalls alle anderen in so einem Fall reagiert.“

„Du hast schon öfter solche Aktionen gestartet?! Macht dir das Mobben Spaß?“ Andreas‘ Respekt vor ihr war mit einem Schlag verloren gegangen.

Alexandra blieb ruhig: „Wenn es so wäre, dann stände ich nicht da, wo ich jetzt stehe.“

„Wie meinst du das?“

„Wer Spaß am Mobben hat, der mobbt Schwache. Meistens sind die Leute, die so etwas tun, selber schwache Figuren, die sich an noch Schwächeren auslassen müssen. Wenn sie öfter andere ärgern oder verprügeln oder ihnen Sachen wegnehmen, dann haben die Gemobbten Angst und eine Zeit machen die anderen mit, aber irgendwann sind alle gegen die Mobber. Respekt bekommt man auf die Art nicht. – Nö, Andi, nicht nur, wer mit mir fortgehen will, muss es sich verdienen, sondern schon, wer von mir verprügelt oder fertiggemacht werden will. Wer wirklich stark ist, zeigt das anderen Starken; die Schwachen merken das dann von sich aus.“

„Interessante Theorie!“

„Aber eine, die funktioniert. Was habe ich davon, mich beim Lasche aufzuführen oder Typen wie den Tobi fertigzumachen? Der Lasche sagt sowieso nichts, wenn ich in seinem Unterricht lese oder Musik höre und der Tobi traut sich auch nicht, mir Ärger zu machen. Das auszunützen wäre kindisch. Wichtig ist, den Leuten, die mir wirklich Ärger machen können, zu zeigen, dass ich die Stärkere bin. Das respektieren auch die anderen eher: Die Steger macht nicht so leicht einer fertig und gegen dich gewinnt auch nicht jeder. Aber das ist nur die eine Hälfte.“

„Die meisten parieren brav, weil sie dafür Hausaufgaben von dir gemacht kriegen oder von Leuten in Ruhe gelassen werden, die noch weniger nett sind. Du bietest deinen Soldaten mehr als andere Fürsten oder was?“

„Gut gemerkt. Alle erfolgreichen Herrscher seit den alten Römern haben es so gehalten. Man muss diejenigen belohnen, die brav sind und denen gegenüber die Muskeln spielen lassen, die sich aufmotzen. Parcere Subiectis et debellare Superbos. – Das ist übrigens der zweite Teil, warum ich dich heute hier haben wollte: Du kapierst um einiges mehr als die anderen. Denen kann man direkt sagen, dass sie genau so leicht zu beherrschen sind wie die Bauern im Biedermeier und sie checken’s nicht.“

„Du wolltest dich mit mir treffen, um mir…das zu sagen?!“

„Ich hab dich wohl doch überschätzt. Ich will dich besser kennenlernen. Nach deinem Versprechen am Dienstag ist das wohl ungefährlich für mich – und du scheinst auch zu kapieren, dass du besser fährst, wenn du tust, was ich dir sage.“ Sie beugte sich kurz vor, sodass er ihr starkes Parfüm roch. Danach sah sie ihn mit starrem Blick an.

„Du willst, dass ich dir erzähle, warum ich geflogen bin?! Ich wüsste nicht, warum ich dir das sagen sollte. Wir sind keine Freunde.“

Sie grinste überlegen: „Ich habe keine Freunde; Freundschaft ist Einbildung, so wie Liebe oder Hass.“

„Und warum glaubst du dann, dass ich es dir erzähle?“

„Vielleicht, weil du weißt, dass ich es doch erfahren werde. Womöglich von Leuten, die du für deine Freunde hältst.“

Er erschrak. War auch Kevin Teil ihres Plans? Würde er alles brühwarm erzählen?

„Hab ich einen wunden Punkt erwischt? Hat dich einer deiner sogenannten Freunde enttäuscht? Du weißt ja: Jeder arbeitet für seine Interessen – alles andere ist Propaganda oder schöne Märchen.“ Sie starrte ihn erneut an. Er roch ihr Parfüm, das ihm ein seltsames Gefühl gab.

„Ich verstehe, wenn du nicht darüber reden willst“, fuhr sie fort. „Kein Problem. Ich werde es erfahren.“

Andreas kämpfte mit  sich, ob er ihr alles erzählen sollte.

 

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