Es gibt keine Sicherheit bei Großveranstaltungen

(sagt Magnus Zawodsky)

und ich sage: Schreib lieber weiter über deinen Mäx!

 Fassungslos stehen wir nach den tragischen Ereignissen bei der Love-Parade in Duisburg am 24.7.2010 da. Mindestens 20 Menschen sind im Gedränge im Tunnel unter dem ehemaligen Duisburger Güterbahnhof, der den einzigen Weg zur Loveparade darstellte, gestorben. Was fällt dem NZ-Redakteur Zawodsky, bekannt für seine Kolumnen aus Sicht seines Schäferhundes Mäx, dazu ein? Dass man schwere Unfälle bei Großveranstaltungen nie ausschließen kann.

 

 Sicherlich kann man es nicht ausschließen, dass Panik entsteht. Dennoch: Es war keine Naturkatastrophe, die zu Tod und Verletzungen mehrerer Besucher geführt hat. Sicherlich wäre die Katastrophe weniger schlimm gewesen, wenn nicht Menschen über den Zaun geklettert und gestürzt wären. Nur: War es unvermeidlich?

 

 Die Zeitungen berichten übereinstimmend: Die Loveparade fand auf einem ehemaligen Bahngelände statt. Der einzige Zugang erfolgte durch einen Tunnel, in dem sich zwei verschiedene Besucherströme trafen. Das Gelände war für 250 000 Menschen zugelassen, es kamen 1,4 Millionen. Menschen drängten in den Tunnel und konnten am Ende desselben nicht weitergehen, weil der Tunnel überfüllt war. Als die Panik ausbrach, dauerte es einige Zeit, bis die Notausgänge geöffnet wurden.

 

 Jeder, der schon einmal eine öffentliche Veranstaltung, und sei es nur ein Schulfasching oder das Jubiläum eines Vereins, organisiert hat, weiß, dass das Ordnungsamt in solchen Fällen Vorgaben macht: Wie viele Notausgänge gibt es? Wie viele Menschen können an der Veranstaltung teilnehmen? Gibt es Sicherheitsbedenken, wird die Genehmigung verweigert oder nur gegen Auflagen erteilt. Wer jemals Schülersprecher oder Jugendleiter war, kennt das Problem, wie man Durchgänge gleichzeitig als Notausgänge offen hält und zugleich verhindert, dass größere Besucherzahlen hier an der Kasse vorbei das Haus betreten.

 

 Jeder vernünftige Mensch macht sich, wenn er eine Großveranstaltung mitorganisiert, Gedanken, wie viele Besucher und welches Verhalten der Besucher zu erwarten sind. Ich selbst war im Organisationskomitee für die Generalversammlung meines lieben Unitas-Verbandes. Wir wollten den Festkommers im historischen Rathaussaal veranstalten und erhielten die Auflage, dass maximal 282 Besucher zugelassen werden könnten. Als uns klar war, dass wir diese Zahl mit einiger Sicherheit überschreiten würden, suchten wir schweren Herzens einen anderen Saal. Wie wir die Besucherzahl abschätzen konnten? Durch Vergleich mit den Generalversammlungen der letzten Jahre.

 Was veranlasste die Planer in Duisburg, mit 250 000 Besuchern zu rechnen, wenn in den letzten Jahren über eine Million Menschen die Loveparade besuchten?

Und wenn man sich schon so grob verkalkuliert: Warum ließ man dennoch erheblich mehr Menschen auf das Gelände? Sicher, wer abgewiesen wird, ärgert sich, doch besser Ärger als Tote. Wer ist in Nürnberg noch nicht beim Bardentreffen vor der Katharinenruine gestanden und hat gesehen, dass Ordner niemand mehr einließen? Und dort ging es um weit geringere Menschenmengen, von denen nur eine Minderzahl betrunken oder stoned waren.

 Warum führt man die beiden Zugänge unmittelbar vor einem Tunnel zusammen, wenn schon alle durch den Tunnel geführt werden können? War den  – äh – Organisatoren nicht klar, dass jeder Tunnel eine Engführung bedeutet? Hätte man nicht, wenn es schon zu wenige andere Zugänge gab, diesen Engpass nicht direkt vor den Tunnel legen müssen? Eine kontinuierlich enger werdende Straße ist ärgerlich, aber weniger gefährlich als ein plötzlicher Engpass.

 Warum wird ausgerechnet am Ende eines Tunnels kontrolliert, ob die maximale Besucherzahl nicht überschritten wurde? Wohin laufen die abgewiesenen Besucher? Natürlich durch den Tunnel, durch den andere zu Tausenden nachdrängen. Panik ist vorprogrammiert. Bei einer Einlasskontrolle auf freiem Feld gibt es mehrere Fluchtrichtungen und somit weniger Gefahren einer Massenpanik. Auch wenn bereits vor dem Tunnel die Kontrolle erfolgt wäre, hätte man die Panik vermeiden können.

 Kam es überraschend, dass so viele Menschen aufgekratzt waren und sich daher vielleicht nicht gemäß den einstudierten Vorsichtsmaßnahmen verhielten? Wohl kaum für jemanden, der schon einmal auch nur ein Open-Air-Konzert, ein Public Viewing oder anderer vergleichbare Veranstaltungen erlebt hat.

 Und schließlich: Warum lassen sich Notausgänge nicht sofort öffnen? Warum wird eine selbstverständliche Sicherungsmaßnahme, die man von jeder Disko, jedem Verein und jeder Schulveranstaltung erwartet, bei einer solchen Massenveranstaltung ignoriert?

 

 Zawodsky schreibt: „Fußballstadien lassen sich umbauen, Innenstädte nicht“. Recht hat er; deshalb muss man die Gegebenheiten am Ort berücksichtigen. Rock im Park findet eben nicht nur wegen der Lärmbelästigung im nach allen Seiten offenen Luitpoldhain statt und nicht in den Gassen der Altstadt. Beim Bardentreffen spielen die Gruppen, bei denen das meiste Publikum zu erwarten ist, auf dem Hauptmarkt oder dem Sebalder Platz und nicht im inneren Burghof, zu dem nur ein Zugang führt.

 

 Naturkatastrophen können nicht, katastrophale Planungsfehler müssen vermieden werden. Wie immer man über die Loveparade, bei der es zweifellos immer Alkohol, Drogen und andere unerfreuliche Dinge gibt, denken mag: Die Verantwortlichen für diese Loveparade haben völlig versagt. Ich bin wahrhaft kein Freund davon, Verantwortung des Einzelnen abzuschieben, doch wer eine Großveranstaltung plant, muss auch die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen treffen. Tut er es nicht, verschuldet er fahrlässig die Folgen. Das Mindeste ist, dass die Verantwortlichen für diese Loveparade den Hut nehmen. Derart krasser Leichtsinn kann nicht mit einem achselzuckenden „Ist nicht zu vermeiden“ übergangen werden.

 Und was Herrn Zawodsky betrifft: Er möge lieber weiter über seinen Mäx schreiben: Mag er von Erziehung eines Hundes mehr verstehen als von Sicherheitsvorkehrungen.

 

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